Crossing Iceland

Einmal quer durch Island. Von Süd nach Nord. 650 Kilometer ohne Support entlang von Gletschern und Vulkanen. Viele Jahre habe ich diese Idee vor mir her geschoben. Im August 2018 war es endlich soweit. Mit dem Bike und gut 15 Kilogramm Ausrüstung ging es nach Island.

Dass das Wetter in Island sehr unbeständig und stürmisch ist, das weiß man schon von Beginn an. Dass aber bereits am Flughafen das Zusammenbauen des Rads auf Grund des Orkans schon eine Herausforderung wird, war dann doch gleich eine erste Überraschung. Und was es heißt bei solchen Winden Rad zu fahren, das sollten die kommenden Tage zeigen. So musste ich von Beginn an die Route etwas umplanen. Keine Chance gegen den Wind zu fahren.

 

Aber es hat auch Vorteile. Man kommt durch Gebiete, welche man in der Planung nicht berücksichtigt hat. So auch in diesem Fall. Bereits nach wenigen Kilometern kam ich an einen Punkt, an dem die Eurasische und die Nordamerikanische Erdplatte auseinander driften.

Trotzdem machte der Orkan mir zu schaffen. Teils kam ich gerade mal 8 Kilometer pro Stunde vorwärts. Geplant hatte ich mit 15 - 20 km/h. Somit musste ich schon nach dem zweiten Tag die Zeitplanung etwas umstellen. Statt drei Tage waren nun vier Tage eingeplant um meinen persönlich südlichsten Punkt zu erreichen.

Was ich bereits in den ersten Tagen Island lernen musste war, dass sich das Wetter hier binnen weniger Minuten ganz anders entwickeln kann als vorhergesagt. Die Isländer sagen sogar, dass der Wetterbericht nur dazu da ist, um zu sehen, wie aktuell gerade das Wetter ist.

Wie schon auf den Reisen zuvor war es auch auf Island so, dass immer wieder andere Bikepacker unterwegs waren. Einen habe ich dann auf meinem Weg zu meinem persönlich südlichsten Punkt kennen gelernt: Raul aus Spanien. Für ihn war es die erste Bikepackertour. Auch er wollte Island mit Rad und zu Fuß bereisen. Immer wieder kreuzten sich unsere Wege, auch auf dem Laugavegur-Trail, der ersten Etappe der Islanddurchquerung.

 

Nach vier Tagen radeln im Orkan bei Windböen um die 120 km/h und etlichen Malen vom Bike geweht später, konnte ich dann am fünften Tag von Skogar aus in Richtung Norden starten.

Von der ersten Kurbelumdrehung an zeigte sich Island von seiner rauen Seite. War es bis Skogar sehr viel Teer zum Radeln, so wechselte es ab hier zu Schotterstraßen, welche teils nur in Schrittgeschwindigkeit befahren werden konnten. Und natürlich waren Wind und Regen ein ständiger Begleiter.

Sehr mühsam war der Weg hinauf zum höchsten Punkt des Tages. Sehr viel schieben und tragen. Die lose Vulkanerde machte es nicht gerade einfacher. Und die Schneefelder zwischen den beiden Gletschern erledigten den Rest. Erneut wurde mir bewusst, dass ich mit einer mitteleuropäischen Streckenplanung nicht weit kommen würde.

Aber auf der anderen Seite dann die Überraschung: der Nebel blieb wie an einer unsichtbaren Mauer am Pass hängen, der Orkan wurde zu einem lauen Lüftchen, der Regen hörte auf. So ein Panorama zum Biken ist sensationell. Die Schinderei der letzten Stunden vergessen. Es zeigte sich ein Island wie ich es mir vorgestellt hatte. Einfach unbeschreiblich! Der Trail machte den Eindruck nie zu enden.

 

Trotz des Panoramas muss der Fokus immer auf dem Trail bleiben. Teils geht es durch absturzgefährdetes Gelände.

 

Gegen Abend erreichte ich dann Porsmörk. Auf die alte Planung bezogen endete der erste Tag der Durchquerung gut 60 Kilometer zu früh. Aber das Gelände und der Orkan machten ein schnelleres Vorwärtskommen unmöglich. Und darum geht es ja grundsätzlich auch nicht.

Der zweite Tag auf dem Laugavegur-Trail in Richtung Norden begann dann gleich mit einer Flussdurchquerung. Mit Bike und der ganzen Ausrüstung durch mehrere Flüsse. Teils bis zum Bauch im eiskalten Wasser. Die Strömung deutlich stärker als gedacht. So wurde es dann doch schnell zu einem Kampf um's Material gegen die Strömung. Danach dann aber endlose Weiten.

 

Zwar gab es immer wieder Tragepassagen durch Schluchten, aber das Panorama war all die Mühen wert.

Gegen späten Nachmittags dann endlich der Campingplatz Alftavatn. Der Platz ist aber unter den Trekkern als "Stormy Campground" bekannt. Hier stürmt es immer, zumindest der Wind geht. Und dass der Kraft hat zeigte der Wohnanhänger des Besitzers des Restaurantes. Den hat er mit einem Spanngurt am Boden befestigt, um ein Wegwehen zu verhindern. Darum war es besonders wichtig, das Zelt nicht nur mit Heringen zu sichern, sondern zusätzlich noch mit Steinen zu beschweren. Laut dem Restaurantbesitzer liegen im nahen See schon einige Zelte drin...

 

Auch wenn die Nacht wegen des Orkans sehr kurz war - tags darauf ging es weiter. Landmannalaugar, das Ende des Trails, wartete. Zu diesem Zeitpunkt aber wusste ich schon, dass eine Durchquerung Islands bei solchen Bedingungen nicht möglich und sinnvoll ist. Selbst die Isländer konnten mit diesem Wetter nichts anfangen. Später erfuhr ich, dass 2018 der stürmischste und verregneteste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen war. War ja klar, dass da ich natürlich vor Ort bin... ;-)

Es ist ja bekanntlich die Not, die erfinderisch macht. Ein Plan war es, auf den Vatnajökull-Gletscher zu gehen, dem größten Gletscher Islands. Daher hatte ich sogenannte Snowchains, also Schneeketten für Schuhe, mit dabei. Aber genau diese waren es, welche mir den Aufstieg und das stundenlange Schieben und Tragen Richtung Landmannalaugar erst ermöglichten. Der Untergrund war ohne Ketten einfach zu rutschig. Keine Chance ohne.

Gut sieben Stunden waren nötig, um die 24 Kilometer und 1100 Höhenmeter bis nach Landmannalaugar zu bewältigen. Meistens schieben und tragen. Ganz selten, dass ich mal etwas biken konnte. Das alles bei Sturm, Hagel, Eisregen. Das Islandwetter war nicht gerade gnädig. Im Gegenteil: rauer geht´s wohl nicht mehr. In Landmannalaugar angekommen erstmal ab in die Warmwasserquelle. Die umgerechnet 12,- € für eine Dose Bier (Leichtes wohl gemerkt) mal schnell vergessen.

 

Die Nacht im Zelt war überraschend erholsam. Trotzdem musste ich tags darauf eine Entscheidung fällen: weiter Richtung Norden oder Abbruch der Durchquerung.

Ein großer Vorteil auf Island ist, dass man fast überall auf der Insel Mobilfunk hat. Von Landmannalaugar aus konnte ich so die nächste Schutzhütte in der Nähe des Vatnajökull-Gletschers anrufen. Die Antwort war aber sehr ernüchternd. Wegen des aufkommenden Orkans haben sie die Hütte bis auf weiteres verlassen. Da war eine Antwort auf meine Frage "Abbruch oder weiter" schon fast logisch. Bis zum Abzweig an der F26-Straße wollte ich mir aber noch Zeit geben.

 

Vom Start in Landmannalaugar an war wieder Gegenwind und Regen angesagt. Am Abzweig traf ich dann einen Italiener, welcher auch die Süd-Nord-Durchquerung machen wollte, aber auf einer anderen Route. Er war bis zum Abzweig nur auf Teer unterwegs und brauchte für gut 25 Kilometer zwei Tage. Somit war die Entscheidung fix: Abbruch. Zurück über die Teerstraße in Richtung Süden. Auch der Italiener brach ab und wollte via Laugavegur-Trail zurück in den Süden. Meine Info, dass der erste Teil wegen Orkan gesperrt ist, fand er weniger lustig.

Für mich ging es jedoch 45 Kilometer weiter nach Arnes, einem kleinen Dorf in südwestlicher Richtung. Hier wollte ich dann einen Tag Pause machen und Wäsche waschen, etwas erholen und einen neuen Plan ausarbeiten. Und der war wichtig, da ich ja bei der Vorbereitung voll auf die Durchquerung fixiert war und eine Alternative nie in Frage kam.

 

Was Rückenwind auf Island heißt, durfte ich dann auf den 45 Kilometern erfahren. Gerade einmal 1,5h benötigte ich mit vollbeladenem Bike für die Strecke. Ich war aber ehrlich gesagt schon froh, dass der Tachometer bei der Geschwindigkeitsanzeige endlich mal wieder zweistellig wurde.

Nach einem Tag Pause war es fix. Es sollte in Richtung Langjökull-Gletscher gehen. Ein Franzose und ein Nordkoreaner brachten mich auf diese Idee. Der Franzose war bereits das siebte mal auf Island mit dem Bike unterwegs. Auch er war ursprünglich wegen der Süd-Nord-Durchquerung nach Island gereist, aber erst im vierten Anlauf sollte sie klappen. Hat mich aber ehrlich gesagt nicht sehr beruhigt.

 

Erster Zwischenstop war für mich Gullfoss. Hier nutzte ich das Restaurant für eine kurze Pause. Aufwärmen und Bekleidung etwas trocknen.

Da jedoch der Wind sehr günstig war und von hinten kam, nutzte ich die Gelegenheit um auf der Ostseite des Gletschers schnell vorwärts zu kommen. Bis Arbudir war es ausnahmsweise mal sehr entspannt. Dort konnte ich sogar mal windgeschützt übernachten. Ein Blick auf die Wettervorhersage machte mir sogar wieder etwas Hoffnung, doch weiter nach Norden zu kommen. Der Wind sollte weiter in nordöstlicher Richtung wehen. Also direkt in die ursprünglich geplante Richtung. Eine Ernüchterung aber kam Tags drauf.

Der Wind hatte gedreht. Wolkenbruch. Also Sachen packen und wieder zurück. Was ich aber auf der kleinen Anhöhe erleben konnte war sehr ungewöhnlich. Auf dem Pass, der gerade einmal 50 Meter höher ist als der Punkt an dem ich übernachtete, blieb das schlechte Wetter samt Orkan einfach stehen. Als ob eine unsichtbare Wand da wäre. Auf der anderen Seite relativ wenig Wind und Sonnenschein.

 

Bis nach Geysir ging es zurück. Dort musste ich einen weiteren Tag Pause machen. Mich hatte die Grippe erwischt. Also mal etwas Zeit für Sightseeing.

Kleiner Tipp am Rande:

 

Da Island im Sommer extrem viele Besucher hat, lohnt es sich vom Zeitpunkt her Sehenswürdigkeiten antizyklisch zu besuchen. Am besten Öffnungszeiten von Restaurants und Souveniershops ansehen und vorher oder nachher hinkommen. Beim Geysir war ich um 06:00 morgens. Außer mir waren nur noch zwei weitere Besucher da.

 

Gut erholt ging es dann weiter auf die Südquerung des Langjökull.

Der wolkenlose Himmel machte mir Hoffnung einen Tag mal nicht nass zu werden. Der Sturm war aber trotzdem da. Und der machte im oberen Bereich der Straße wegen des Sandes und der losen Lavaasche einen Sandsturm draus. Somit heißt das, dass man voll und ganz wie bei Regen gekleidet ist, trotz 20 Grad plus. Man muss das Eindringen von Sand in die Bekleidung verhindern. Denn dieser bewirkt in Kombination mit Schweiß, dass die Haut wie mit einer Art Schleifpapier bearbeitet wird. Und dies war für den Franzosen unter anderem ein Grund zum Abbrechen. Die Scheuerstellen gehen bis zu tiefen Fleischwunden und Entzündungen.

Dass man bei solchen Bedingungen auch die Essensgewohnheiten anpassen muss liegt auf der Hand. Direkt im Sandsturm kann man weder essen noch kochen. Vor allem beim Essen hat man dauernd Sand im Mund. Also muss der Platz zum Essen gut gewählt werden. Meistens reicht schon ein großer Felsen. In manchen Fällen gibt es soger eine Schutzhütte, in der man mal windgeschützt essen, trinken und schlafen kann. Dass diese Hütten oft stark verschimmelt und dreckig sind wird irgendwann egal.

Mich führte der Weg weiter in westlicher Richtung. Auch wenn es heißt auf Island gibt es überall Wasser, südlich vom Langjökull war es Mangelware. Trotz des vielen Regens gab es nur sehr wenige Wasserquellen. Für mich hieß das wieder runter in südliche Richtung. Wasser und Verpflegung besorgen. 5 Liter Wasser sind zwar für einen Tag inklusiv kochen ok, aber wenn keine nächste Wasserquelle in Sicht ist, dann muss man auf Nummer sicher gehen.

 

Der nächste Tag dann ging westlich vom Gletscher in Richtung Norden.

Wie schon so oft war das Wetter eher durchwachsen. Ok, der Wind kam von der Seite. Das war schon mal eine große Abwechslung. Dafür immer wieder Regen. Die Straße war auch gut zum Radeln. Mal Teer, mal Schotter, mal Sand. Soweit also ganz gut.

 

Im Laufe des Tages dann aber wurde es immer schlechter. Viel Sturm und Regen zog auf. Biken war nur noch beschränkt möglich. Ein Not-Unterstand war dann für mich das Ende des Tages. Heizung, Kocher und eine gute Möglichkeit zum Schlafen bot diese.

Kurze Anmerkung zu den Not-Unterständen:

 

Natürlich sind Not-Unterstände bzw Not-Hütten primär für den Nofall. In Island aber darf man diese als normalen Unterstand nutzen, sofern man zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad unterwegs ist und darf diese sogar in seine Planungen mit einbeziehen. Dies gilt aber nicht für Auto- bzw Motorradreisende. Diese dürfen die Unterstände nur im Notfall nutzen. Man ist aber verpflichtet, sich in das Nutzerbuch einzutragen und die Hütte bzw. Unterstand so zu verlassen, dass jederzeit ein Notfall in die Hütte kann. Dass man als Trekker bzw. Radreisender dann den Unterstand im Falle eines Notfalls verlassen muss, sollte selbstverständlich sein.

Der nächste Tag begann wie so oft mit Sturm und Regen. Der Weg nach Husafell war daher eher unspektakulär. Die Sicht teils nur bis zu 50 Meter. Regen von der Seite. Und viele Touristen die der Meinung waren, auf dieser Straße ihre Geländewagen ausfahren zu müssen. Ehrlich gesagt war ich froh, als ich nach 3h Husafell erreicht hatte. Zumindest hatte ich morgens kein nasses Zelt zum Einpacken.

 

In Husafell dann erstmal Wäsche waschen. Das kann nach gut zwei Wochen Handwäsche mal nicht schaden.

Langsam wurde es aber Zeit wieder Richtung Reykjavik zu radeln. Fünf Tage hatte ich noch bis zum Flug. Als Route dienten Nebenstraßen, wenn möglich. Trotzdem wollte ich noch, wenn es auf der Strecke lag, die einen oder anderen Sehenswürdigkeiten mitnehmen. Sei es die Hraunfossar, Wasserfälle, die offenbar direkt aus der Lava entspringen, oder auch der Glymur, dem mit 196 Meter hohen Wasserfall, der bis 2011 als der höchste Wasserfall Islands galt. Dieser wurde vom Morsarfoss als höchster Wasserfall Islands abgelöst. Fragt mich jetzt bitte nicht, warum der Morsarfoss auf einmal höher ist. ;-)

Sehr zügig kam ich nach Reykajvik. Eigentlich wollte ich dort noch einen Tag bleiben. Aber ehrlich gesagt haben mich der Verkehr und die vielen Leute dazu bewogen, tags darauf gleich weiter nach Sandgerdi zu radeln. Dies ist übrigens ein guter Campingplatz für An- und Abreise. Gegen eine kleine Gebühr kann dort sogar der Bikekarton vom Flug eingelagert werden. Ein Lebensmittelladen ist auch gleich um's Eck. Schwimmbad ebenfalls.

 

Für mich ging eine sehr schöne Zeit zu Ende. Dass die Durchquerung nicht geklappt hat wurde irgendwann zur Nebensache und völlig unbedeutend.

Natürlich will ich sie irgendwann wieder in Angriff nehmen. Aber Island hat noch viele andere Sachen zu entdecken. Ob ich bei der nächsten Islandreise wieder mein Bike dabei haben werde, lass ich mal offen. Auf alle Fälle hat Island ein ganz besonderes Flair...

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